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Sourav Das beim Global Peace Photo Award 2022 für das „Friedensbild des Jahres“ ausgezeichnet.

© Parlamentsdirektion/Johannes Zinner

Der indische Fotograf siegt mit einem Bild aus seiner Reportage „A Small yet Great Victory Over the Pandemic – Ein kleiner, großer Sieg über die Pandemie“, das darüber berichtet, wie während des weltweiten Corona bedingten Bildungsnotstandes die Initiative des indischen Lehrers Deepnarayan Nayak die Wände der Häuser seines Dorfes in Schultafeln verwandelte.

Die Keynote des Abends hielt Alexander Cherkasov, der das Memorial Human Rights Centre repräsentiert, das am 10. Dezember 2022 in Oslo den Friedensnobelpreis erhalten wird.

Wien, 14. November 2022 – am Abend wurden zum zehnten Mal die Gewinner:innen des internationalen Fotowettbewerbs Global Peace Photo Award im Österreichischen Parlament mit der Alfred-Fried-Friedensmedaille ausgezeichnet.

Preisträger:innen des Global Peace Photo Awards 2022

Ana Maria Arévalo Gosen, Venezuela: „Sinfonía desordenada“
Artem Humilevski, Ukraine: „Giant“
Mary Gelman, Russia: „M+T“
Maryam Firuzi, Iran: „The Scattered Memories of Distorted Future“
Sourav Das, India: „A Small yet Great Victory Over the Pandemic“

In seiner Begrüßung betonte Wolfgang Sobotka, der Präsident des Österreichischen Nationalratesdie außergewöhnliche Zusammenarbeit mit dem Global Peace Photo Award und wie wichtig es ist, in diesen Zeiten dem Frieden ein Forum zu bieten. Dieses Bekenntnis wird in Zukunft auch im Österreichischen Parlament noch deutlicher spürbar sein. Die Bilder der Preisträger werden im Auditorium für jeweils ein Jahr gezeigt. Das ist jener Raum, in dem vorwiegend die Pressekonferenzen stattfinden werden.

Das Friedensbild des Jahres 2022

Der mit 10.000 Euro dotierte Hauptpreis ging an den indischen Fotografen Sourav Das mit einem Bild aus seiner Reportage „A Small yet Great Victory Over the Pandemic“, die darüber berichtet, wie während des weltweiten Corona bedingten Bildungsnotstandes die Initiative des indischen Lehrers Deepnarayan Nayak die Wände der Häuser seines Dorfes in Schultafeln verwandelte.

Für Millionen Mädchen und Jungen hat Corona bedeutet, dass sie oft über Monate hinweg keinerlei Schule mehr besuchen konnten. Corona hatte einen weltweiten Bildungsnotstand geschaffen, der mehr war als ein Verlust im Erlernen des kleinen Ein-mal-eins: In vielen armen Ländern bedeutete das Schließen der Schulen auch, dass Kinder die einzige feste Mahlzeit am Tag nicht mehr bekommen haben. Aber es gab auch wunderbare Ausnahmen! Es gab Initiativen wie jene des indischen Lehrers Deepnarayan Nayak, der die Schule in seinem Dorf kurzerhand ins Freie verlegte. Er hat die Wände der Häuser in Schultafeln verwandelt. Er hat die Vorsichtsmaßnahmen gegen eine Infektion auf die Wände gemalt, er lehrte die Kinder im Umgang mit Masken und ließ sie in Sicherheitsabständen Schule im Freien absolvieren, selbst das Fach Biologie inklusive eines Blickes durchs Mikroskop. Der indische Fotograf Sourav Das hat Szenen aus dem Alltag dieser ungewöhnlich kreativen und liebenswerten Dorfschule eingefangen. Er hat dieser friedvollen Aktion ein kleines Denkmal gesetzt. Und auf kleinster denkbarer Ebene ist hier einer der 54 Artikel der UN-Kinderrechtskonvention umgesetzt: das Recht auf Bildung. 
 
Sourav Das, geboren 1987, bezeichnet übrigens auch seine Kamera als ein Instrument des Lernens. Er beruft sich dabei auf den berühmten Fotografen Henri Cartier-Bresson, wenn er sagt: „Mit einem Auge schaust du auf die Welt, mit dem anderen in dich selbst hinein.“ 2011 hat Das einen Master in Arts gemacht, sich danach auf die Fotografie konzentriert. Er versteht sich als „street photographer“, will sozialen Wandel in seiner Gesellschaft dokumentieren. Der Fotografie traut er dabei zu, ähnlich aussagekräftig zu sein wie eine Novelle, ein Lied oder ein Gemälde.

The Children’s Peace Image of the Year 2022

Das mit 1000 Euro dotierte beste Friedensbild in der Kinder- und Jugendkategorie, „The Children’s Peace Image of the Year 2022“, gewann die 10-jährige Zoya Yeadon aus Mauritius.  

Ihr Foto „Dreaming in the Peaceful Sea” zeigt das von Lichtreflexen und Blau umgebene scheinbar schwerelose Schweben und Träumen in einer friedlichen See. Zoya Yeadon ist eine gute Schwimmerin. Aber das ist nun das Unspektakulärste, was sich über sie sagen lässt. Auf Mauritius geboren, ist sie eigentlich, wie ihr Vater sagt, „im Herzen eine Nomadin“. Neugierig auf die Welt. Die letzten fünf Jahre hat sie in einem Wohnmobil verbracht, dabei mehr als 80 Länder bereist. Unterrichtet wird sie in einem Programm der Wolsey Hall Oxford, einem homeschooling college, vielleicht der berühmtesten, mindestens einer der ältesten Schulen dieser Art, 1894 gegründet. Ihre besten Fächer? Geographie natürlich. Und Mathematik und Englisch. Aber neben ihrer Muttersprache beherrscht Zoya recht gut auch Russisch und Französisch. Ihr Vater beschreibt sie als „erstaunlich belastbar“ und „unerschütterlich in einer Krise“. Als fröhlich und furchtlos. Zoya fotografiert mit einer Leica ihres Vaters. „Und gäbe es ihn, müssten wir Zoya heute noch mit einem weiteren Preis ausstatten. Sie hat die nun wirklich längste Anreise hinter sich, die wohl jemals eine Preisträgerin, ein Preisträger auf sich genommen hat, um an diesem schönen Abend dabei zu sein. In Dubai gelandet, ist sie bereits am 10. Oktober in Richtung Wien gestartet. Im Auto ihres Vaters via Saudi-Arabien, Jordanien, Israel, dann per Fähre nach Griechenland…“, so Laudator Peter-Matthias Gaede.

Der Preis wurde von Frau Professor Elisabeth Stadler, Vorstandsvorsitzende der Vienna Insurance Group (VIG), übergeben: „Die Vienna Insurance Group ist seit der ersten Stunde Unterstützer des Global Peace Photo Awards und hat bisher die Auszeichnung für das Kinder-Friedensbild unterstützt. Nun weiten wir unsere erfolgreiche Zusammenarbeit aus und haben eine dreijährige Kooperation als Hauptsponsor unterzeichnet. Als Unternehmen brauchen wir – wie Menschen – ein friedliches Umfeld, um nachhaltig und erfolgreich wirtschaften zu können.“

© Parlamentsdirektion/Johannes Zinner

Lois Lammerhuber, der gemeinsam mit seiner Frau Silvia Lammerhuber den Global Peace Photo Award initiiert und seit Anbeginn organisiert hat, erinnerte daran, dass „Frieden nicht die Abwesenheit von Krieg ist, sondern etwas, das ich als „Gelungenes Leben“ bezeichnen möchte. Jedes Jahr berühren uns die eingereichten Fotos und Geschichten aufs Neue mit ihrer Kreativität und Passion für das Gute und Friedvolle auf dieser Welt.“

Auf Einladung von Barbara Trionfi, der scheidenden Direktorin des International Press Institute (IPI), hielt Joanna Krawcyk, Präsidentin der Gazeta Wyborcza Foundation, Chairwoman of the Leading European Newspaper Alliance  und „Golden Pen of Press Freedom“-Preisträgerin, ein Plädoyer für den Wert der Fotografie in der Wahrnehmung der Welt: „Was wir jetzt eindeutig erleben, ist eine Intensivierung der visuellen Kultur, Fotografie ist als Vehikel des Wandels und als Mittel des Protests außerordentlich wichtig geworden. Die Beschreibung der Welt mit Bildern in einem pluralistischen Medienumfeld kann nur in Gesellschaften funktionieren, die von Informations- und Meinungsfreiheit geleitet werden. Das ist ein Kernelement jeder funktionierenden Demokratie – die Medienfreiheit, und ich sehe sie als wesentlich für den Schutz der Menschenrechte.“

Zehn Jahre Global Peace Photo Award

© Parlamentsdirektion/Johannes Zinner

Peter-Matthias Gaede, Chefredakteur der Zeitschrift GEO 1994 – 2014, würdigte das 10-jährige Bestehen des Global Peace Photo Award: „In den nun zehn Jahren seines Bestehens hat der Global Peace Photography Award an Größe auf nahezu jedem Feld gewonnen.

Die Jury ist großes Orchester geworden. 29 Frauen und Männer aus neun Nationen gehören ihr mittlerweile an – aus sechs europäischen Ländern, aber auch aus Lateinamerika, China und den USA. Die Einsendungen von jährlich etwa 15 000 Bildern kommen rund 120 Ländern. Die Gewinner:innen stammen aus dem Iran und aus den USA, aus Belgien, Schweden und Deutschland, aus China und Indonesien, Nigeria, Ghana, Türkei, Tunesien, Argentinien, Peru und Venezuela. Aus Griechenland, Italien, Frankreich, den Niederlanden und Dänemark. Aus der Ukraine. Und Russland.

Einzig offenbar von einer überzeugenden Idee angelockt, sind die alljährlichen Verleihungen zu einem Gipfeltreffen weltweit anerkannter Vertreter des Friedens und der Menschenrechte geworden. Ich erinnere an die Rede von Kailash Satyarthi, Kinderrechts-Aktivist und Friedensnobelpreis-Träger des Jahres 2014, oder an den Tunesier Abdessattar Ben Moussa, Menschenrechts-Aktivist und Friedensnobelpreis-Träger des Jahres 2015, der uns die Ehre gab, die Hauptrede zur Verleihung zu halten. Ich erinnere an David Beasley, Exekutivdirektor des 2020 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichneten Welternährungs-programm der Vereinten Nationen, der eigens aus den USA kam, um einen fulminanten Hallo-Wacht-auf-Ruf an die Welt zu richten. Und wir freuen uns sehr, dass wir mit Alexander Cherkasov, Vorstandsmitglied von Memorial, auch heute wieder den Vertreter einer mit ganz aktuell mit dem Friedensnobelpreis 2022 ausgezeichneten Institution bei uns haben. 

Aber ich erinnere auch an mutige Verfechter:innen der Pressefreiheit, die hier zu uns gesprochen haben – in Person des Sohnes der 2017 ermordeten maltesischen Journalistin Daphne Caruana Galizia, an Matthew Caruana Galizia. Ich erinnere an das memento mori, das wir der Kooperation mit dem IPI, der weltweit wohl wichtigsten Institution zur Verteidigung der Pressefreiheit verdanken. Meines Wissens gibt es keinen zweiten Fotopreis auf der Welt, der es vermag, eine derart hochkarätige und glaubwürdig für die Menschenrechte eintretende Gemeinschaft aus Menschen aller Nationen zu animieren, den oft sogar zuvor weithin unbekannten Fotografen und Fotografinnen die Ehre zu erweisen.“

Friedensnobelpreis-Organisationen zu Gast

© Parlamentsdirektion/Johannes Zinner

Die Keynote des Abends hielt Alexander Cherkasov, der das Memorial Human Rights  Centre repräsentierte, das am 10. Dezember in Oslo den Friedensnobelpreis 2022 erhalten wird, gemeinsam dem Center of Civil Liberties aus der Ukraine – dessen Vorsitzende Oleksandra Matviichuk eine Videobotschaft geschickt hatte – und dem belarussischen Dissidenten und Menschenrechtler Ales Bjaljazki.

„In der Tat hat Memorial viele Jahre lang versucht, etwas Ähnliches zu tun wie die Preisträger der heutigen Zeremonie: Die Vergangenheit aufzuzeichnen, die totalitäre Vergangenheit Russlands und Europas im zwanzigsten Jahrhundert, das Jahrhundert der totalitären Imperien, um zu verhindern, dass dies wieder geschieht. Nie wieder. Welche Art von Speicher wird dafür benötigt? Was war es wert, bewahrt zu werden, um eine Wiederholung zu verhindern? Das Gedenken an die Opfer natürlich. Und eine weitere Erinnerung – die Erfahrung, unter unvorstellbaren Umständen in Würde zu leben. Das Gedächtnis des Widerstands. Und außerdem: Sich zu erinnern, heißt natürlich zu kämpfen. Kampf gegen die Straflosigkeit von Kriminellen. (…) Das Menschenrechtszentrum beschäftigte sich also mit zeitgenössischen Menschenrechtsverletzungen in den postsowjetischen Kriegen. Wir haben dokumentiert, wir haben geholfen, wir haben Gerechtigkeit gefordert. (…) Ein Leben auf der Suche nach Sinn. Die Erleuchtung der Herzen. Ich denke, das ist der richtige Weg. Das ist genau das, was auch Sie tun. Durch die Magie der Fotografie, durch die Magie des Lichts halten Sie den Moment an. Mit einem Blitzlicht erleuchten Sie die Seelen der Menschen. Ich würde gerne glauben, dass wir eine gemeinsame Sache verfolgen.“

Neben der Vergabe des „Friedensbild des Jahres“ an Sourav Das gingen Alfred-Fried-Friedensmedaillen 2022

An die in Spanien lebende Venezuelanische Fotografin Ana Maria Arévalo Gosen für ihre Arbeit „Sinfonía desordenada (Eine wilde Sinfonie)“. Musik als Chance zur Heilung, als Kraftzentrum, als Weg in die Gemeinschaft und Befreiung aus der Gewalt: Ana Maria Arévelo Gosens Foto-Reportage spielt vor dem Hintergrund großer Krisen im Land ihrer Geburt, in Venezuela. Einer sozio-ökonomischen und politischen Krise, verschärft durch die Corona-Pandemie mit den bekannten Folgen vor allem für Kinder und Jugendliche in Ländern des globalen Südens.

Es geht hier um ein Projekt, junge Menschen vor einem Absturz ins Drogen- und Kriminellen-Milieu zu retten. Durch die Integration in ein Jugend-Orchester. Eine Initiative der Sinfónica Gran Mariscal de Ayacucho unter Elisa Vegas, der einzigen Dirigentin eines venezolanischen Sinfonie-Orchesters. Und gemeinsam mit dem Grammy-Nominierten Sänger Horacio Blanco. Mitglieder des professionellen Ensembles schlossen sich dafür mit street kids zusammen für eine Serie von Arrangements zusammen. Spielten Klassiker aus dem Repertoire der bekannten Ska-Band „Öffentliche Unruhe“ ein. Die Aufnahmen wurden an verschiedenen Wohnorten während des Lockdowns gemacht, mit dem Handy, dann gemixt. Schließlich gab es auch zwei öffentliche Konzerte auf der Straße. „Ein Geschenk an die Hoffnung“ bezeichnet die Fotografin das Projekt.

An den Ukrainischen Fotografen Artem Humilevskiy für seine Arbeit „Giant. (Riese.)“. Wir sehen einen sehr, sehr schwergewichtigen Mann. Wir sehen, welche merkwürdigen, komischen, lächerlichen, rätselhaften, rührenden, skurrilen, verqueren, auch liebenswerten Posen er einnimmt. Wir halten ihn für schamfrei. Wir wundern uns. Wir kennen ihn nicht. Aber natürlich schauen wir hin. Und dann, wissend, dass er uns seine Bilder aus der Ukraine eingesandt hat, fangen wir an, uns zu fragen: Warum macht er das? Wer ist er? Was will er uns mitteilen?

Dazu hat Artem Humilevski an den Rand von „Riese“ Folgendes notiert, und es hat mit der Corona-Pandemie zu tun: Einer Zeit, von der er schreibt, es hätten in ihr ja nicht nur Staaten ihre Grenzen geschlossen. Sondern im Grunde auch jedes Individuum habe sich abkapseln müssen. Der Nachbar sei zur Gefahr geworden, einschließen hätten wir uns müssen. Und dabei seien wir uns selber begegnet – oft intensiver, als uns das gut getan hätte. Auch unserer inneren Leere seien wir dabei begegnet. 
And if you take a closer look at Artem Humilevski, especially against the background of a criminal invasion of his country, you will recognize the seriousness in his work. It is by no means just funny. Here someone bares himself, makes himself defenceless in order to disarm. To call for peace. His grandmother, to whom he has dedicated another of his both intellectual and simply loving art and photography projects, died in a Nazi concentration camp. His grandmother’s brother died of hunger. Artem dedicates one of his artistic memory projects to her. Another one he dedicates to the theme of rapprochement, overcoming isolation, escaping from agony.
 
Und das sei die Zeit gewesen, als er beschlossen habe, sich selber zu portraitieren. Und damit das nicht tragisch werde, habe er es selbst-ironisch angelegt. Und zugleich sei das sein Weg gewesen, sich selber zu akzeptieren. Ein Tagebuch sei so entstanden, ein Plädoyer für Empathie und Offenheit. Was wir hier auch feiern – neben einer außergewöhnlich originellen und mutigen Fotoarbeit – ist das herzerfrischende Ende von body shaming. Ist der Ruf, Menschen jedweder Form (man könnte auch sagen Hautfarbe, Religion, Herkunft, Ethnie) tolerant zu begegnen. Sich nicht abzuwenden, wenn jemand nicht unseren Stereotypen von Normalität entspricht. Es geht hier um nicht weniger als um das Menschenrecht auf Diversität! Und wer sich ein wenig näher mit Artem Humilevski befasst, zumal vor dem Hintergrund eines verbrecherischen Überfalls auf sein Land, der wird den Ernst seiner Arbeit erkennen. Sie ist wahrlich nicht nur lustig. Hier macht sich einer nackt, hier macht sich einer wehrlos, um zu entwaffnen. Nach Frieden zu rufen. Seine Großmutter, der er ein weiteres seiner ebenso intellektuellen wie einfach nur liebevollen Kunst- und Fotografie-Projekte gewidmet hat, starb in einem Konzentrationslager der Nazis. Der Bruder seiner Großmutter verhungerte. Artem widmet ihr eines seiner künstlerischen Erinnerungsprojekte. Ein anderes widmet er dem Thema Annäherung, Überwindung von Isolation, Ausbruch aus der Agonie. Wir haben uns in diesen sanften und überaus friedvollen Riesen verliebt, als wir unsere ersten Reflexe überwunden hatten. Und es war dann nur ein ganz kleiner Schritt, ihn als jemanden wahrzunehmen, der eine überaus zärtliche Botschaft an uns hat. Und die heißt: Liebe.

An Mary Gelman aus Russland für ihre Arbeit „M+T (Minya und Tatjana)“. Wir konnten gar nicht anders: Wir waren wie magisch angezogen von der ungeheuren Intensität und Intimität, mit der uns Mary Gelman am Leben dieser zwei Menschen mit Down Syndrom hat teilhaben lassen. Minya und Tatyana. Es ist ja die Frage, was eigentlich „biblisch“ meint, aber wir hatten das Gefühl, da etwa Biblisches zu sehen. Oder weniger ergriffen: Wir hatten das Gefühl, auf etwas zu sehen, was an die Ikonographie alter Malerei heranreicht. Diese Suggestion der zwei so besonderen Gesichter über der Kerze! So etwas Inniges, auch Irritierendes, so etwas Geheimnisvolles, so etwas Schönes, glaube ich, sieht man sehr selten. So etwas Friedliches. So etwas Zartes.

Geschöpfe mit Behinderungen waren ja im Kommunismus, in seiner Behauptung, nichts anderes als den idealen Menschen zu erschaffen, nicht vorgesehen. Es durfte sie im Grunde gar nicht geben. Nur die Perfektion. Dann aber, nach dem Zusammenbruch dieses auf Lüge aufgebauten Systems, sind auch in Russland ganz vorsichtig die Ideen entstanden, dass auch die Schwachen, die Un-Perfekten, die Nicht-Normalen ein Recht auf Leben und Anerkennung und Selbstverwirklichung haben. Und so entstand 1994 zum Beispiel rund 150 Kilometer östlich von St. Petersburg eine auf den Werten der anthroposophischen Camphill-Bewegung aufbauende Dorfgemeinschaft mit dem Namen Svetlana, nicht viel größer als vier Häuser, eine Heimat für geistig und körperlich beeinträchtigte Menschen.

Minya und Tatyana sind zwei von ihnen. Sie lernten sich 1995 kennen und lieben. Waren zwei von ihnen. Denn Tatyana lebt nicht mehr, sie wurde von Corona hinweggerafft. Wir sehen ein Requiem auf sie. Ein Requiem auf die Kraft der Zuneigung. Auf die Geborgenheit. Auf die Schönheit der Einvernehmlichkeit. Auf den Trost, der aus Zuwendung kommen kann. Jenseits auch nur der geringsten Spur der bedauerlichen anderen Gewissheit, dass der Mensch auch des Menschen Wolf sein kann. Und es oft genug ist.

Mary Gelman war zunächst nur einen Tag lang im Dorf von Minya und Tatyana, ist dann aber über fast zwei Jahre lang immer wieder zu ihnen zurückgekehrt, vorsichtig und mit der Klugheit einer zarten Beobachterin. Sie hat Soziologie studiert, befasst sich  – immer auch sehr grundsätzlich und als Studierende – mit Geschlecht und Körperlichkeit, Grenze und Identität und Diskriminierung und arbeitet als Fotografin dagegen an. Gewalt gegen Frauen in der russischen Gesellschaft ist eines ihrer Themen, auch „Fatphobia“, wie sie den Ekel vor Übergewichtigen nennt, Scham und Ausgrenzung, die russische Diffamierung von LGBTQ waren schon ihre Themen.

An die Iranische Fotografin Maryam Firuzi für ihre Arbeit „The Scattered Memories of a Distorted Future (Die verstreuten Erinnerungen einer verzerrten Zukunft)“: Maryam Firuzi hat der Arbeit, die wir hier auszeichnen, einen sehr rätselhaften Titel gegeben. Sind Erinnerungen an die Zukunft möglich? Bedeutet es, dass sich Vergangenheit wiederholen wird? Und bedeutet das Düsternis, Rückkehr zu leidvollen Erfahrungen?

Klar ist: Maryam Firuzi ist eine Stimme der iranischen Frauen. War es schon, bevor das mutige Aufbegehren vor allem junger iranischer Frauen gegen die Macht einer so genannten Sittenpolizei begann, die Frauen vorschreibt, wie sie sich nach Ansicht eines überkommenen Männer-Regimes zu kleiden und zu benehmen haben.

Ein Land am Rande einer Revolte, eher in einem latenten Krieg als im Frieden – aber auf was sehen wir da in der ungemein poetischen Arbeit von Maryam Firuzi? Wir sehen auf ein Fotoprojekt, das aus einer tiefen Melancholie der Autorin entstanden ist: Sie selber schreibt von Trauer und Verzweiflung, von Krisen aller Art, politischen, ökonomischen, ökologischen, von Fluchtgedanken, von der Pandemie. Sie beschreibt sich selber als „zerstörten Platz“. Folglich hat sie Ruinen zum Schauplatz ihrer Arbeit gemacht. Und in diese aber hat sie Frauen und ihr künstlerisches Werk gestellt, von denen sie sich „Heilung“ erhofft. Inspiration und Wirkung.  In aufgegebenen Schulen sehen wir sie, in verlassenen Bahnhöfen, Tankstellen, Garagen. In den Gemäuern ehemaliger Weinkeller, Theater, eines Badehauses.

Und all das ist ein einziges Plädoyer für die Kraft von Frauen. Für die Kraft dieser Frauen, trotz allem im Land zu bleiben. Und nicht zu schweigen. Und nicht klein beizugeben. Es geht um eine Ermutigung. Um eine Respektbezeugung für die, die noch träumen. Und das hat die Jury davon überzeugt, diese wunderbare Arbeit von Maryam Firuzi als einen Ruf nach Frieden auszuzeichnen.

(Auszüge aus den Laudationes von Peter-Matthias Gaede)

Über den Global Peace Photo Award 2022

Zum Global Peace Photo Award 2022 wurden 14.157 Bilder aus 115 Ländern eingereicht. Die meisten Einreichungen kamen aus China, Russland, Indien, USA und dem Iran. Juriert wurden die Einreichungen von einer hochkarätigen, internationalen Jury. Siehe: https://globalpeacephotoaward.org/jury

Der Global Peace Photo Award wird in Kooperation von Edition Lammerhuber, Photographischer Gesellschaft (PHG), UNESCO, Österreichischem Parlament, der Vereinigung der Parlamentsredakteurinnen und -redakteure, des Internationalen Press Institute (IPI), des Deutschen Jugendfotopreises, World Press Photo Foundation, POY LATAM, LensCulture und Vienna Insurance Group ausgelobt.
 
Inspiriert wurde der Preis von dem österreichischen Pazifisten und Schriftsteller Alfred Hermann Fried (* 11. November 1864 in Wien; † 4. Mai 1921 in Wien). Fried wurde 1911 gemeinsam mit dem Organisator der Haager Konferenz für Internationales Privatrecht Tobias Asser der Friedensnobelpreis verliehen. 
 
Pressematerial (Siegerbilder, Jurystatements, Bilder von der Veranstaltung) zum herunterladen: http://press.lammerhuber.at/gppa2022

Rückfragehinweis:
Lois Lammerhuber   +4369913583989    
lois.lammerhuber@friedaward.com
www.friedaward.com

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