Welcome address by Doris Bures, Speaker of the Austrian National Council (in German)
Address by Rolf Nobel, Photographer, professor of photography; Chairman of the Alfred Fried Photography Award Jury 2016
Photos from the award ceremony
The Alfred Fried Photography Award 2016
The Alfred Fried Photography Award 2015 was presented on 20 September 2016 at a gala in the rooms of the Austrian parliament. Doris Bures, Speaker of the National Council, introduced the ceremony attended by 250 guests.
Welcome address by Doris Bures, Speaker of the Austrian National Council
Ich freue mich sehr, Sie am Vorabend des Internationalen Tages des Friedens im österreichischen Parlament begrüßen zu dürfen. Bereits zum dritten Mal verleihen wir hier im Hohen Haus gemeinsam den Alfred-Fried-Photography Award. Dieser Preis hat in wenigen Jahren eine beeindruckende internationale Beachtung erlangt. Fast 17.000 Friedensbilder aus knapp 130 Ländern wurden heuer eingereicht. Das mag wohl auch daran liegen, dass in so bewegten Zeiten, wie wir sie erleben, das Bedürfnis besonders groß ist - dem Frieden ein Gesicht zu geben. Die Friedenssehnsucht wächst mit dem Unfrieden auf der Welt. Es ist mir daher eine große Ehre, heute einen ganz besonderen "Botschafter des Friedens" begrüßen zu dürfen: Den Präsidenten der tunesischen Menschenrechtsliga und Friedensnobelpreisträger. Herzlich Willkommen Herr Abdessattar Ben Moussa! Herr Ben Moussa ist Vertreter des „Tunesischen Dialogquartetts“, das im Vorjahr als Kollektiv den Friedensnobelpreis erhalten hat. Ein Kollektiv aus hochrangigen Vertretern von Gewerkschaften, Arbeitgebern, Juristen und Menschenrechtsaktivisten. Das Dialogquartett – so begründete das Nobelpreis-Komitee seine Entscheidung – hat in Tunesien einen „alternativen, friedlichen politischen Prozess etabliert“, als das Land am Rande des Bürgerkriegs gestanden ist. Das Quartett hat einen wesentlichen Beitrag dazu geleistet, dass Tunesien, wo der arabische Frühling seinen Ausgang genommen hat, sich heute – trotz vieler Rückschläge – doch am friedlichen Weg zu einer Demokratie befindet. Von einer leider völlig konträren Entwicklung des arabischen Frühlings, der so hoffnungsvoll begonnen hat, weiß unser zweiter Gastredner aus Syrien zu berichten. Als der Journalist und Menschenrechtsaktivist Mazen Darwish 2013 den Bruno Kreisky Preis für Menschenrechte erhalten hat, konnte er an der Verleihung hier in Wien nicht teilnehmen. Er befand sich in Haft. Seine Frau, die an seiner Stelle den Preis übernommen hatte, sagte damals: "Eines Tages wird er frei sein." Herr Darwish, ich freue mich ganz besonders, dass wir Sie heute im österreichischen Parlament Willkommen heißen dürfen! Es ist unendlich schmerzlich, dass es der Staatengemeinschaft auch im 6. Jahr des Bürgerkriegs noch nicht gelungen ist, das Blutvergießen und das unendliche Leid der syrischen Bevölkerung zu beenden. Bis gestern durften wir uns noch an der Hoffnung aufrichten, dass der von den USA und Russland ausverhandelte Waffenstillstand hält und den Weg zu einer dauerhaften friedlichen Lösung eröffnet. Die Ereignisse der vergangenen 24 Stunden haben diese Hoffnung aber zerbrechen lassen. Dies ist ein weiterer schwerer Rückschlag in den Bemühungen zur Beilegung des Konflikts. Dennoch gilt es, weiterhin alle Anstrengungen zu unternehmen, damit es endlich zu einem Schweigen der Waffen kommt. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich danke allen Partnern, die diesen Bewerb gemeinsam mit dem österreichischen Parlament ausrichten: Allen voran dem Organisator des Fried Awards: Herrn Lois Lammerhuber. Er hat den Preis nicht nur ins Leben gerufen, sondern ihn auch mit besonders viel Engagement und Begeisterungsfähigkeit zum Erfolg geführt. Für ihre wichtige Unterstützung danke ich unseren weiteren Kooperationspartnern:
• der UNESCO,
• dem Internationalen Presse Institut,
• der Vereinigung der Parlamentsredakteurinnen und –redakteure
• sowie der Photographischen Gesellschaft. Mein Respekt gilt den renommierten Mitgliedern der Jury. Mit viel Zeit und Energie haben Sie die schwierige Aufgabe auf sich genommen, die Einreichungen zu sichten und zu bewerten. Herzlichen Dank dafür! Nicht zuletzt gilt all den tausenden Fotografinnen und Fotografen unser Dank, die aus aller Welt ihre Beiträge geliefert haben. Sie alle haben mit dem Medium der Fotografie ein Stück Frieden festgehalten um es mit anderen zu teilen. Den Gewinnerinnen und Gewinnern unter Ihnen gratuliere ich schon jetzt!
Ich freue mich auf diesen schönen Abend! Address by Rolf Nobel, Photographer, professor of photography; Chairman of the Alfred Fried Photography Award Jury 2016
Sehr geehrte Präsidentin, sehr geehrte Preisträger und Ehrengäste,
meine sehr verehrten Damen und Herren, "Wir werden den Krieg nicht los, wenn wir die Menschheit nicht von den schreibenden, dichtenden, philosophierenden, redenden, malenden, fotografierenden Rechtfertigern und Verteidigern des Krieges befreien." Dieses Zitat, sie werden es erraten haben, stammt von Alfred Hermann Fried, ausgezeichnet mit dem Friedensnobelpreis 1911 und Namensgeber des Fotowettbewerbs, dessen Preisträger wir heute ehren wollen. Dieser Fotopreis ist meines Wissens mit seiner Ausschreibung, Bilder einzureichen, die uns zeigen sollen, wie der Frieden aussieht, ein Novum unter den namhaften internationalen Fotopreisen, die jährlich vergeben werden. Zugegeben, es ist vielleicht etwas zugespitzt formuliert, aber der Alfred Fried Photography Award kehrt das Zitat Alfred Frieds letztlich um: Wir werden den Frieden nicht bekommen, wenn wir die Menschheit nicht bereichern mit schreibenden, philosophierenden, redenden, malenden, fotografierenden Streitern für den Frieden. Und gerade dem Medium Fotografie kommt darin eine besondere Bedeutung zu, denn sie ist mit ihrer hohen Glaubwürdigkeit und emotionalen Tiefe ein mächtiges bewusstseinbildendes Instrument. Umso mehr, als das wir von einer Welt der Wörter in eine Welt der Bilder wechseln, wie es der ehemalige Bildchef der New York Times, Paul Hosefros, einmal formulierte. Die einstige Alleinherrschaft des gedruckten Wortes in der Aneignung von Wirklichkeit ist unwiederbringlich an ihr Ende gekommen. Machen sie selbst die Probe: Was fällt ihnen ein zum 2. Weltkrieg, dem Vietnamkrieg, dem Mauerbau, Entspannungspolitik, dem Mauerfall, dem 1. Golfkrieg, dem 11. September 2001, die Flüchtlingskrise? An Fakten und Zahlen erinnern wir uns kaum, aber an Bilder: an das Bild der Rotarmisten, die die Sowjetflagge auf dem Reichstag hissen; an das nackte Mädchen auf der Straße nach einem Napalmangriff der Amerikaner; an den NVA-Soldaten, der beim Überspringen des Stacheldrahtzaunes sein Gewehr abstreift; an Willy Brandts Kniefall am Mahnmal des Warschauer Ghetto-Austandes; an die Mauerspechte in Berlin; Salgados erschöpfte Feuerwehrleute beim Löschen der Ölfeuer; an die brennenden Twin Towers und an den toten Jungen am Strand von Bodrum. Bilder brennen sich leichter in unser Gehirn als Worte. Und unter den Bildern sind es ganz besonders Stillbilder, also Fotografien. Weil die uns Betrachtern die Rezeption überlassen. Sie ziehen nicht an uns vorbei in einem Fluss wie im Fernsehen. Wir können sie betrachten, so lange wir wollen – in der Zeitung, im Buch, an einer Ausstellungswand. Wir können in sie eintauchen, in sie hineinzoomen und jedes Detail in aller Ruhe in uns aufsaugen. Viele der bedeutenden Fotopreise unserer Zeit überhäufen uns mit einer Flut von Kriegs- und Elendsbildern. Das ist auch gut und richtig so, denn Bilder legen auch Zeugnis ab und Fotografen haben das Zeitgeschehen zu dokumentieren. Und wir wollen auch keinen Beifall von der falschen Seite. Aber ebenso wichtig ist die Darstellung des Friedens. Denn die Sehnsucht nach einer friedlichen Welt ist mindestens so alt wie die Geschichte kriegerischer Auseinandersetzung. Und gehen wir davon aus, dass es die Aufgabe eines Mediums wie der Fotografie ist, alle Themen menschlichen Daseins darzustellen, dann ist es eine wichtige Aufgabe, den Bilderfluten der Kriege die Bilder des Friedens an die Seite zu stellen. Aber was ist nun ein Bild des Friedens? Darauf gibt es – und das macht es schwierig - keine simple Antwort. Die Antwort darauf hängt von vielen unterschiedliche Facetten ab: In welchem Teil der Welt lebt der Fotograf? Ist er jung oder alt? Ein Mann oder eine Frau? Und so spiegeln auch die eingesandten Fotos jene Vielfältigkeit der Antworten wieder, die auf die Frage zu geben sind. Das reicht von wunderschönen Landschaft-Impressionen aus Gegenden, wo man gerne Urlaub machen würde, sorgenlosem Kinderspiel in Urwaldflüssen, Szenen von Liebe und Zuneigung, über konzeptionelle Serien von gesellschaftlichen Gruppen bis hin zu poetischen Schwarzweiss-Reportagen übers idyllisches Landleben in Russland. Aber was auch eingesandt wurde, und wie vordergründig manche Fotos auch sind, alle Bilder spiegeln Sehnsucht und Idealbilder von einem Leben im Frieden wieder. Und das ist vielleicht genauso wichtig wie die hervorragenden Arbeiten unserer Preisträger: Dass wir mit diesem Fotopreis dazu anregen darüber nachzudenken, was Frieden für einen bedeutet und wie Frieden für einen aussieht. Für die Fotografen, aber auch die hoffentlich sehr vielen Menschen, die die Bilder dieses Wettbewerbs zu sehen bekommen. Wie wichtig das ist, vermittelt einem der kurze ORF-Film auf der Website des Wettbewerbs, in dem eine Reporterin Menschen auf der Straße nach ihrem Bild vom Frieden befragt und bei dem einen oder anderen Interviewten auf eine gewisse Sprachlosigkeit trifft. War die enorme Vielfalt der visuellen Antworten auf die Frage nach dem Bild vom Frieden schon schwierig zu bewerten, so hat in diesem Jahr ein Zuwachs von etwa 20 Prozent an Einsendungen die Aufgabe für die 12 Jurymitglieder aus 5 Ländern nicht einfacher gemacht. Eingereicht wurden insgesamt 3721 Einsendungen mit insgesamt 16883 Fotos, deren Autoren aus 127 Ländern der Welt stammen. Faktum ist, dass der Alfred Fried Photography Award nach nur 4 Jahren schon eine enorme Strahlkraft entwickelt, die zu diesen Zuwächsen an Einsendungen geführt hat. Aber wir wollen mehr. Vorrangiges Ziel der Arbeit in der nächsten Zeit soll es deshalb sein, noch mehr der hochkarätigen Fotografen dieser Welt für die Teilnahme an dem Wettbewerb zu gewinnen. Und natürlich möchten wir erreichen, dass die Fotos dieses Wettbewerbs zukünftig von noch mehr Menschen als Anregung zum Nachdenken gesehen werden können. Denn das ist es letzten Endes, was diesem Wettbewerb seinen tieferen Sinn gibt.
Address by Rolf Nobel, Photographer, professor of photography; Chairman of the Alfred Fried Photography Award Jury 2016
Photos from the award ceremony
The Alfred Fried Photography Award 2016
The Alfred Fried Photography Award 2015 was presented on 20 September 2016 at a gala in the rooms of the Austrian parliament. Doris Bures, Speaker of the National Council, introduced the ceremony attended by 250 guests.
Welcome address by Doris Bures, Speaker of the Austrian National Council
Ich freue mich sehr, Sie am Vorabend des Internationalen Tages des Friedens im österreichischen Parlament begrüßen zu dürfen. Bereits zum dritten Mal verleihen wir hier im Hohen Haus gemeinsam den Alfred-Fried-Photography Award. Dieser Preis hat in wenigen Jahren eine beeindruckende internationale Beachtung erlangt. Fast 17.000 Friedensbilder aus knapp 130 Ländern wurden heuer eingereicht. Das mag wohl auch daran liegen, dass in so bewegten Zeiten, wie wir sie erleben, das Bedürfnis besonders groß ist - dem Frieden ein Gesicht zu geben. Die Friedenssehnsucht wächst mit dem Unfrieden auf der Welt. Es ist mir daher eine große Ehre, heute einen ganz besonderen "Botschafter des Friedens" begrüßen zu dürfen: Den Präsidenten der tunesischen Menschenrechtsliga und Friedensnobelpreisträger. Herzlich Willkommen Herr Abdessattar Ben Moussa! Herr Ben Moussa ist Vertreter des „Tunesischen Dialogquartetts“, das im Vorjahr als Kollektiv den Friedensnobelpreis erhalten hat. Ein Kollektiv aus hochrangigen Vertretern von Gewerkschaften, Arbeitgebern, Juristen und Menschenrechtsaktivisten. Das Dialogquartett – so begründete das Nobelpreis-Komitee seine Entscheidung – hat in Tunesien einen „alternativen, friedlichen politischen Prozess etabliert“, als das Land am Rande des Bürgerkriegs gestanden ist. Das Quartett hat einen wesentlichen Beitrag dazu geleistet, dass Tunesien, wo der arabische Frühling seinen Ausgang genommen hat, sich heute – trotz vieler Rückschläge – doch am friedlichen Weg zu einer Demokratie befindet. Von einer leider völlig konträren Entwicklung des arabischen Frühlings, der so hoffnungsvoll begonnen hat, weiß unser zweiter Gastredner aus Syrien zu berichten. Als der Journalist und Menschenrechtsaktivist Mazen Darwish 2013 den Bruno Kreisky Preis für Menschenrechte erhalten hat, konnte er an der Verleihung hier in Wien nicht teilnehmen. Er befand sich in Haft. Seine Frau, die an seiner Stelle den Preis übernommen hatte, sagte damals: "Eines Tages wird er frei sein." Herr Darwish, ich freue mich ganz besonders, dass wir Sie heute im österreichischen Parlament Willkommen heißen dürfen! Es ist unendlich schmerzlich, dass es der Staatengemeinschaft auch im 6. Jahr des Bürgerkriegs noch nicht gelungen ist, das Blutvergießen und das unendliche Leid der syrischen Bevölkerung zu beenden. Bis gestern durften wir uns noch an der Hoffnung aufrichten, dass der von den USA und Russland ausverhandelte Waffenstillstand hält und den Weg zu einer dauerhaften friedlichen Lösung eröffnet. Die Ereignisse der vergangenen 24 Stunden haben diese Hoffnung aber zerbrechen lassen. Dies ist ein weiterer schwerer Rückschlag in den Bemühungen zur Beilegung des Konflikts. Dennoch gilt es, weiterhin alle Anstrengungen zu unternehmen, damit es endlich zu einem Schweigen der Waffen kommt. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich danke allen Partnern, die diesen Bewerb gemeinsam mit dem österreichischen Parlament ausrichten: Allen voran dem Organisator des Fried Awards: Herrn Lois Lammerhuber. Er hat den Preis nicht nur ins Leben gerufen, sondern ihn auch mit besonders viel Engagement und Begeisterungsfähigkeit zum Erfolg geführt. Für ihre wichtige Unterstützung danke ich unseren weiteren Kooperationspartnern:
• der UNESCO,
• dem Internationalen Presse Institut,
• der Vereinigung der Parlamentsredakteurinnen und –redakteure
• sowie der Photographischen Gesellschaft. Mein Respekt gilt den renommierten Mitgliedern der Jury. Mit viel Zeit und Energie haben Sie die schwierige Aufgabe auf sich genommen, die Einreichungen zu sichten und zu bewerten. Herzlichen Dank dafür! Nicht zuletzt gilt all den tausenden Fotografinnen und Fotografen unser Dank, die aus aller Welt ihre Beiträge geliefert haben. Sie alle haben mit dem Medium der Fotografie ein Stück Frieden festgehalten um es mit anderen zu teilen. Den Gewinnerinnen und Gewinnern unter Ihnen gratuliere ich schon jetzt!
Ich freue mich auf diesen schönen Abend! Address by Rolf Nobel, Photographer, professor of photography; Chairman of the Alfred Fried Photography Award Jury 2016
Sehr geehrte Präsidentin, sehr geehrte Preisträger und Ehrengäste,
meine sehr verehrten Damen und Herren, "Wir werden den Krieg nicht los, wenn wir die Menschheit nicht von den schreibenden, dichtenden, philosophierenden, redenden, malenden, fotografierenden Rechtfertigern und Verteidigern des Krieges befreien." Dieses Zitat, sie werden es erraten haben, stammt von Alfred Hermann Fried, ausgezeichnet mit dem Friedensnobelpreis 1911 und Namensgeber des Fotowettbewerbs, dessen Preisträger wir heute ehren wollen. Dieser Fotopreis ist meines Wissens mit seiner Ausschreibung, Bilder einzureichen, die uns zeigen sollen, wie der Frieden aussieht, ein Novum unter den namhaften internationalen Fotopreisen, die jährlich vergeben werden. Zugegeben, es ist vielleicht etwas zugespitzt formuliert, aber der Alfred Fried Photography Award kehrt das Zitat Alfred Frieds letztlich um: Wir werden den Frieden nicht bekommen, wenn wir die Menschheit nicht bereichern mit schreibenden, philosophierenden, redenden, malenden, fotografierenden Streitern für den Frieden. Und gerade dem Medium Fotografie kommt darin eine besondere Bedeutung zu, denn sie ist mit ihrer hohen Glaubwürdigkeit und emotionalen Tiefe ein mächtiges bewusstseinbildendes Instrument. Umso mehr, als das wir von einer Welt der Wörter in eine Welt der Bilder wechseln, wie es der ehemalige Bildchef der New York Times, Paul Hosefros, einmal formulierte. Die einstige Alleinherrschaft des gedruckten Wortes in der Aneignung von Wirklichkeit ist unwiederbringlich an ihr Ende gekommen. Machen sie selbst die Probe: Was fällt ihnen ein zum 2. Weltkrieg, dem Vietnamkrieg, dem Mauerbau, Entspannungspolitik, dem Mauerfall, dem 1. Golfkrieg, dem 11. September 2001, die Flüchtlingskrise? An Fakten und Zahlen erinnern wir uns kaum, aber an Bilder: an das Bild der Rotarmisten, die die Sowjetflagge auf dem Reichstag hissen; an das nackte Mädchen auf der Straße nach einem Napalmangriff der Amerikaner; an den NVA-Soldaten, der beim Überspringen des Stacheldrahtzaunes sein Gewehr abstreift; an Willy Brandts Kniefall am Mahnmal des Warschauer Ghetto-Austandes; an die Mauerspechte in Berlin; Salgados erschöpfte Feuerwehrleute beim Löschen der Ölfeuer; an die brennenden Twin Towers und an den toten Jungen am Strand von Bodrum. Bilder brennen sich leichter in unser Gehirn als Worte. Und unter den Bildern sind es ganz besonders Stillbilder, also Fotografien. Weil die uns Betrachtern die Rezeption überlassen. Sie ziehen nicht an uns vorbei in einem Fluss wie im Fernsehen. Wir können sie betrachten, so lange wir wollen – in der Zeitung, im Buch, an einer Ausstellungswand. Wir können in sie eintauchen, in sie hineinzoomen und jedes Detail in aller Ruhe in uns aufsaugen. Viele der bedeutenden Fotopreise unserer Zeit überhäufen uns mit einer Flut von Kriegs- und Elendsbildern. Das ist auch gut und richtig so, denn Bilder legen auch Zeugnis ab und Fotografen haben das Zeitgeschehen zu dokumentieren. Und wir wollen auch keinen Beifall von der falschen Seite. Aber ebenso wichtig ist die Darstellung des Friedens. Denn die Sehnsucht nach einer friedlichen Welt ist mindestens so alt wie die Geschichte kriegerischer Auseinandersetzung. Und gehen wir davon aus, dass es die Aufgabe eines Mediums wie der Fotografie ist, alle Themen menschlichen Daseins darzustellen, dann ist es eine wichtige Aufgabe, den Bilderfluten der Kriege die Bilder des Friedens an die Seite zu stellen. Aber was ist nun ein Bild des Friedens? Darauf gibt es – und das macht es schwierig - keine simple Antwort. Die Antwort darauf hängt von vielen unterschiedliche Facetten ab: In welchem Teil der Welt lebt der Fotograf? Ist er jung oder alt? Ein Mann oder eine Frau? Und so spiegeln auch die eingesandten Fotos jene Vielfältigkeit der Antworten wieder, die auf die Frage zu geben sind. Das reicht von wunderschönen Landschaft-Impressionen aus Gegenden, wo man gerne Urlaub machen würde, sorgenlosem Kinderspiel in Urwaldflüssen, Szenen von Liebe und Zuneigung, über konzeptionelle Serien von gesellschaftlichen Gruppen bis hin zu poetischen Schwarzweiss-Reportagen übers idyllisches Landleben in Russland. Aber was auch eingesandt wurde, und wie vordergründig manche Fotos auch sind, alle Bilder spiegeln Sehnsucht und Idealbilder von einem Leben im Frieden wieder. Und das ist vielleicht genauso wichtig wie die hervorragenden Arbeiten unserer Preisträger: Dass wir mit diesem Fotopreis dazu anregen darüber nachzudenken, was Frieden für einen bedeutet und wie Frieden für einen aussieht. Für die Fotografen, aber auch die hoffentlich sehr vielen Menschen, die die Bilder dieses Wettbewerbs zu sehen bekommen. Wie wichtig das ist, vermittelt einem der kurze ORF-Film auf der Website des Wettbewerbs, in dem eine Reporterin Menschen auf der Straße nach ihrem Bild vom Frieden befragt und bei dem einen oder anderen Interviewten auf eine gewisse Sprachlosigkeit trifft. War die enorme Vielfalt der visuellen Antworten auf die Frage nach dem Bild vom Frieden schon schwierig zu bewerten, so hat in diesem Jahr ein Zuwachs von etwa 20 Prozent an Einsendungen die Aufgabe für die 12 Jurymitglieder aus 5 Ländern nicht einfacher gemacht. Eingereicht wurden insgesamt 3721 Einsendungen mit insgesamt 16883 Fotos, deren Autoren aus 127 Ländern der Welt stammen. Faktum ist, dass der Alfred Fried Photography Award nach nur 4 Jahren schon eine enorme Strahlkraft entwickelt, die zu diesen Zuwächsen an Einsendungen geführt hat. Aber wir wollen mehr. Vorrangiges Ziel der Arbeit in der nächsten Zeit soll es deshalb sein, noch mehr der hochkarätigen Fotografen dieser Welt für die Teilnahme an dem Wettbewerb zu gewinnen. Und natürlich möchten wir erreichen, dass die Fotos dieses Wettbewerbs zukünftig von noch mehr Menschen als Anregung zum Nachdenken gesehen werden können. Denn das ist es letzten Endes, was diesem Wettbewerb seinen tieferen Sinn gibt.